Erzählungen

Manche lachen auch gar nicht mehr!
Erzählungen. Verlag 28 Eichen, Barnstorf 2019

Ich hatte Mühe, die schwere Kirchenpforte zu öffnen. Schließlich schlüpfte ich durch das Portal und trat in den Vorraum. Eine ältere Frau kam auf mich zu und musterte mich mit einem Blick, der alles andere als Sympathie ausdrückte. „Sie wünschen?“

Der erste Satz, der mir als Antwort auf diese doch merkwürdige Frage an einen Besucher einer Kirche auf den Lippen lag ging ungefähr so: „Ich möchte Gott besuchen, ist er zu Hause?“

Diese Antwort verkniff ich mir und rückte sofort mit der Wahrheit heraus. Freundlich und den quälenden Zustand, so gut es ging, unterdrückend fragte ich: „Dürfte ich wohl mal ihre Toilette benutzen?“

(Eine Weihnachtsgeschichte)

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Ich möchte keine Pinguine mehr geschenkt bekommen!
Erzählungen. Verlag 28 Eichen, Barnstorf 2016

Ich habe Zeit gefunden. Schon vor zwei Tagen, vor dem Uhrengeschäft. Die Zeit lag einfach auf dem Pflaster der Nesselwangstraße. Ich schlenderte nichts ahnend so dahin, ich hatte noch etwas Zeit vor meinem Termin beim Friseur, und plötzlich lag die Zeit vor mir. Erst war ich mir nicht sicher, ob ich sie aufnehmen sollte. Man kann ja nie wissen. Da kommt dann plötzlich jemand und beschuldigt mich, ich hätte ihm die Zeit gestohlen.

„Beweis das erst einmal, dass die Zeit auf der Straße gelegen hat,“ machte ich mir selbst bewusst. Da kommt man schnell in Erklärungsnot.

Also ließ ich etwas Zeit vergehen und wartete.

Dabei sah ich mich immer wieder…

(Die gefundene Zeit)

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Gedankenteilung
Erzählungen. Verlag 28 Eichen, Barnstorf 2007

„Seit wann bist Du tot?“ wollte ich von ihr wissen und hielt gleichzeitig meine Zigarette in das Feuer, das sie mir bot.

„Ich bin doch gar nicht tot! Fühlt sich das tot an?“

Meine Hand lag auf ihrem Schenkel. Der fühlte sich recht lebendig an.

„Du bist verrückt geworden, das ist alles.“

Das dachte ich mir schon und wollte von ihr wissen, warum.

(Tante Else und König Lear)

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Wenn einer keinen Spass versteht

„Würden Affen dichten? Falls sie schreiben und lesen könnten?
Und falls das der Fall sein sollte, könnte ihnen dafür der Hass der Rhinozerosse entgegen schlagen?

Es ist allgemein bekannt, dass Rhinozerosse zum Jähzorn neigen.“
Herr Doktor Blank meinte nein. Zu allen drei Fragen ein klares Nein! Und das nicht nur, weil er mich für etwas „merkwürdig“ hielt, nein, auch weil das Nein wissenschaftlich begründet war. Im übrigen, dass ich von dieser Begründung nicht ein Wort verstanden habe, läge nicht an mir, vielmehr würden keine drei Menschen auf der Welt die Zusammenhänge zwischen der Zerlegung linguistischer Einheiten in Morphene und Phoneme und die Erfassung ihres Sinnes und ihrer Struktur bei den Affen, lateinisch Simiae, und im besonderen bei den Menschenaffen, lateinisch Pongidae, verstehen und nachvollziehen können. Teilte mir Doktor Blank mit und Frau Dienlich, die wissenschaftliche Mitarbeiterin von Herrn Blank, bestätigte später die Ansichten des Herrn Doktor.
Wir tranken Sekt auf der Eröffnung der sich jährlich wiederholenden Ausstellung des Franz-von-Trappe-Instituts, in dessen Rahmen und unter gleichnamiger Schirmherrschaft Nachwuchskünstler ihre mehr oder weniger künstlerischen Scheußlichkeiten ausstellen durften. 
„Außerdem würde Doktor Blank niemals eine Theorie oder eine Hypothese grundsätzlich und vorschnell ablehnen, nur weil der andere ihm unsympathisch ist, oder weil dessen Wissensstand nicht auf der gleichen Ebene funktioniert,“ verriet mir Frau Dienlich noch lächelnd im Vertrauen und tippte mit ihrem Sektglas an das meine und das ließ ein hohes A durch die Galerie klingen, das sich an einer Skulptur aus Stein in einem aufgebauten Feld aus Filz, Holz und Pappmache an Olivenöl brach und verloren ging.
Über die Aussage von Frau Dienlich war ich beruhigt. Zumindest über die erste Begründung.
Davon, dass Herr Blank und ich uns unsympathisch waren, konnte man getrost ausgehen und so musste ich mir keine Gedanken machen, als der Herr kurz darauf von der Dame mit dem riesigen Hut eine geknallt kriegte, dass ihre fünf beringten Finger ein Muster auf seiner Wange hinterließen. Mit einem hochroten Kopf schnaubte sie anschließend dem Ausgang entgegen. Irgendjemand musste ihr gesteckt haben, dass Blank herum erzählt hatte, er würde sie gerne mal —!
„Das kann ich gar nicht glauben,“ wandte sich Frau Dienlich noch einmal vertrauensvoll an mich. „Herr Doktor Blank ist im Institut immer so zurückhaltend?!“
Und dass er etwas mit Frauen anfangen würde, war auch niemand von den Kollegen bekannt. Frau Dienlich schüttelte den Kopf und betrachtete gemeinsam mit mir den Wissenschaftler, der jetzt, in eine Ecke der Galerie zurückgezogen, eher einem spitzen Pavian im Zoo glich, der von den Besuchern mit ein wenig abstoßendem Interesse betrachtet wurde, als einem hochangesehenen Wissenschaftler. Die Information über die Gelüste des Doktors, die die gedemütigte Dame erreichten, hatte sich mittels stiller Post in den Räumen der Kunsthalle unter den Gästen der Vernissage herumgesprochen. Der Ausstellungsmacher, der leitende Professor des Instituts persönlich, näherte sich dem Unhold und stellte ihn unauffällig zur Rede. Dabei hob er sichtbar sein Rotweinglas und deutete auf das Gefäß. Blank zeigte erschrocken sein Wasserglas, um zu demonstrieren, dass er keineswegs betrunken sei und machte sich daran, das „Missverständnis“, das es in seinen Augen war, aufzuklären.
Frau Dienlich, immer noch neben mir stehend und wie ich die Szene auf der anderen Seite des weiß getünchten und von Strahlern erhellten Raumes, beobachtend, schien ein wenig Mitleid mit dem oberschlauen Herrn Wissenschaftler zu haben. Auch konnte ich in ihren Augen so etwas wie erotisches Interesse an der Person des lüsternen Doktors erkennen. Der versuchte sich inzwischen gegenüber seinem Chef aus der Affäre mit der Dame und der anzüglichen Bemerkung über sie und der daraufhin erfolgten Ohrfeige herauszureden.
„Ich kenne Hans, ich mein Herrn Blank, schon eine ganze Weile. Ich muss sagen, seit damals hätte ich nicht gedacht, dass er so etwas noch einmal macht?!“
„Was meinen Sie?“ sah mich Frau Dienlich überrascht von der Seite an und da ich nicht antwortete, sondern diskret verschwiegen geradeaus auf ein Gemälde mit zwei badenden Jungfrauen sah, spürte ich wie in den Gehirnwindungen Frau Dienlichs die Neuronen ihre Arbeit aufnahmen und verknüpften, was zusammen gehörte.
„Sie meinen, er hat schon früher…?“
Ich wollte mich nicht weiter äußern. Es sei doch eine zu peinliche Sache. „Bitte,“ wehrte ich ab, „ich habe schon zuviel gesagt. Möchten Sie noch ein Gläschen Sekt?“ bot ich der wissenschaftlichen Assistentin stattdessen meine Dienste an.
Im Augenwinkel verfolgte ich Frau Dienlichs energische Schritte auf Herrn Doktor Blank und den Herrn Professor zu, der sich gerade entfernte, froh, den sich anbahnenden Skandal so gut es ging klein gehalten zu haben und nun wieder den Künstlern und ihren Werken seine ganze Aufmerksamkeit schenken wollte, als dieser durch das erneute Klatschen einer enormen Ohrfeige alarmiert auf dem Absatz kehrt machte.
„Müssen Sie schon gehen?“ bedauerte ich das sich eilige und überstürzte Verabschieden des Herrn Blank in der Garderobe. Ich half dem ziemlich verstörten Mann noch in seinen Mantel. 
„Schade, ich wollte doch noch zu gerne ihre Meinung hören über ein Problem, das mich seit einiger Zeit beschäftigt. Denken Sie, dass bei Hamstern durch den übermäßigen Genuss von Gummibärchen die Hälfte ihres Gehirns ausfällt, die für das Erinnern zuständig ist? – Hallo!? Herr Doktor!?“

Wasserschaden (Bildbetrachtungen I)

„He? Was ist das?“ rief ich überrascht aus. Wasser umspülte meine Beine. Das ist normalerweise in einem Badezimmer nicht ungewöhnlich. Aber das, was da meine Hausschuhe und meine heruntergelassenen Hosen durchnässte, o Verzeihung, hatte ich nicht erwähnt, dass ich ein Geschäft machte. Nein? – Gut dann will ich das hier anfügen.

Ich saß also auf der Toilette und macht…, na Sie wissen schon, als die Fluten mich erreichten. Nun war es kein Wasser, was aus der übergelaufenen Badewanne herrührte, oder den nächst nahe liegenden Gedanken aufgreifend, sich aus einem defekten Schlauch einer Waschmaschine über die Fliesen auf den Boden ergoss. Aber das war nicht die Ursache für die mittlerweile etwas beängstigende Überschwemmung im Badezimmer und auch, meine nächste Befürchtung, die Kloschüssel war dicht. Das bewies unter anderem das nicht verschmutzte Wasser, das sich in einer kleinen Brandung an der etwas ansteigenden linken Seite des Bodens rollte. 
Ich wollte der Sache auf den Grund gehen und bückte mich weiter nach vorne, um die Beschaffenheit des Wassers zu prüfen und mittels des rechten Zeigefingers nahm ich eine Probe von der mit kleinen Schaumkronen heftiger werdenden Brandung. Ich tauchte den Finger hinein, schnupperte mit der Nase, um schließlich zu meiner völligen Verblüffung einen Salzgeschmack festzustellen. 
Kein Zweifel, es war Salzwasser. 
Nun, da ich dem Grund der merkwürdigen Überschwemmung im Bad auf der Spur war, konnte ich auch das Tosen der kleinen Brandung hören und sehen, wie Welle um Welle über die Kacheln rollte um mit tausenden von Schaumblasen auszulaufen.
Woher kann das Wasser? Das war noch immer die Frage. In Berlin, meiner Heimatstadt, sind wir relativ weit weg von Nord- und Ostsee. Und zum Atlantik oder dem Mittelmeer war es nochmals ein ganzes Stück.
Ich lehnte mich noch weiter vor, darauf bedacht, nicht ganz nach vorne über zufallen und womöglich mit meinem blanken Hintern, – entschuldigen Sie die krasse Aussprache, aber sie entspricht meiner damaligen Situation, – in das Wasser zu fallen und der Nase lang hinzuschlagen.
Also drehte ich vorsichtig meinen Kopf zur linken Seite und entdeckte das, beziehungsweise das Problem und die Ursache für die Überschwemmung in meinem Badezimmer.
Eine Kachel, genau über dem Boden, war heraus geplatzt und ließ Wasser von außen hinein laufen. Von außen hieß in diesem Fall aus einer Gegend ohne Horizont. Einem Meer. Also doch. Aber wie konnte das gehen, so weit weg von jeglichem Maritimen? Und wieso hatte das Loch genau eine Kachelgröße? Zirka 15 x 15 Zentimeter.
Die Erklärung für den Schaden in der Wand und an den Fliesen zeigte sich mit einem dreifachen Tuten. Es war ein Frachter. Ein Schiff auf großer Fahrt. 
Es musste von der anderen Seite der Wand gegen die Selbe gefahren sein und dadurch das Loch verursacht haben und hatte so die abgefallene Fliese beschädigt.
Im ersten Moment dachte ich, das Schiff in der Größe eines dieser Plastikteile, die die Temperatur des Badewassers anzeigen, würde durch das Loch hindurch in mein Bad einfahren. Aber es blieb vor der Öffnung auf Position. Der Kapitän wartete ab. Gut für ihn, dachte ich, da die Wassertiefe auf meiner Seite des Lochs sicherlich nicht für den Kiel des Schiffes ausgereicht hätte. Und einen Unfall durch Auflaufen des Frachters wollte ich mir nicht ausmalen. Schlimm genug, dass der Kapitän so unachtsam gewesen war und sein Schiff gegen die Wand gefahren hatte. Ich hoffte nicht, dass es Absicht war.
Schon bereit mich von der Toilette zu erheben und dem in Not geratenen Frachter Hilfe zu leisten, hörte ich von der Türseite meines Badezimmers ein Geräusch als würde sich ein Zug, eine U-Bahn, nähern. Auch das noch, befürchtete ich weitere Komplikationen. Und richtig, als ich mich von der linken Seite weg nach vorne bog, musste ich zu meinem größten Erstaunen feststellen, dass meine Füße in den durchnässten Hausschuhen kurz vor der Kante eines U-Bahnsteiges standen.
„Das kann ja heiter werden,“ sagte ich mir in banger Vorahnung und wendete meinen Kopf nochmals nach links und folgte der Bahnsteigkante. Ein riesiger Pfeiler aus Stahl mit abgeplatzter blauer Farbe und Rostflecken stand genau in der Mitte meines Badezimmers, zwischen zwei Gleissträngen. Die Schienen konnte ich nicht sehen, da ich mich dann hätte erheben müssen, was ich aber unterließ, weil sich inzwischen ein Fahrgast auf dem Bahnsteig eingefunden hatte, der offensichtlich auf den nächsten Zug wartete. Ich wollte mich natürlich nicht so entblößt vor einem fremden Menschen zeigen, noch dazu in meinem eigenen Bad.
Um mit Anstand aus dieser Situation herauszukommen, streckte ich mich nach einem Badetuch und so, verhüllt vor den Blicken des Fahrgastes, erreichte ich die Tür zum Flur. Gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Augenblick hörte ich auch schon das lauter werdende Rattern der Räder und der Druck von der Luft, die die U-Bahn vor sich her durch den Tunnel schob, ließ die Tür hinter mir zuschlagen. Nicht auszudenken, wenn ich noch auf dem Lokus gesessen hätte und die Reisenden und Passagiere aus dem U-Bahnwagen auf den Bahnsteig, beziehungsweise in mein Badezimmer geströmt wären, um mich so in einer doch recht peinlichen Situation zu überraschen.
Ich hoffte, keiner der Fahrgäste würde durch das herein geflutete Wasser ausrutschen und zu Schaden kommen. Eine Schadensersatzklage gegen mich hätten meine finanziellen Mittel zu diesem Zeitpunkt überstiegen.
Als erstes ging ich zum Telefon und rief die Hausverwaltung an und meldete einen Wasserschaden in meinem Badezimmer.

Fremdsprache

Ich zeigte die Einladung vor, gab meinen Mantel an der Garderobe ab
und versuchte nicht aufzufallen.
Was nicht so einfach war, da ich als einer der Wichtigen eingeladen wurde.
Aber meine Bescheidenheit ließ mich an der Seite des Podiums auf meinen Auftritt warten.

Auf dem Podium unterhielt ein Alleinunterhalter das Publikum, bestehend aus Managern, Produzenten, Sternen und Sternchen.
Niemand achtete auf den Künstler. Ein Glück für ihn. Sonst hätte er vielleicht einmal einen einzigen richtigen Ton spielen müssen.
Er spielte die Zieharmonika wie ein Bauchredner. Er war schlecht, grottenschlecht!
Seine Augen verloren die Kontrolle.
Sie verhielten sich zueinander als ob sie Streit hätten.
Wenn sie sprechen könnten, würden sie fluchen.
Auf groteske Weise machte er mich an.
Dann, ein halber Liter Wein, und zwei Weltanschauungen prallten aufeinander.
Das war ganz und gar nicht lustig.
Ich wußte, dass ich nicht in das Bild passte, aber dieses eine mal hätte ich doch …
Ich hätte nur zu Lächeln brauchen.
Nicht so, dass der Unterkiefer verkrampft.
Es hätte schon ein Derricklächeln genügt.
Geschäft ist nun einmal Geschäft.
Aber wie soll man sich mit einem unterhalten, der bei jedem Wort von ihm davon ausgeht, dass es neu in den Duden aufgenommen wird.
Der redet, als würde er ein Silbenrätsel lösen und dabei glaubt, dem Nirvana nahe zu sein.
Mensch, ein Würstchen bleibt ein Würstchen!
Auch wenn es auf Französisch besser klingt.
Wie konnte ich ahnen, dass er französisch spricht?
Wirklich leid tat mir nur der Zieharmonikaspieler mit den streitenden Augen!

Falsett

Der Rhythmus flieht vor der Melodie.
Schönes glänzendes Gesicht,
auf dem Boulevard der Phantasie,
verliert das Wort an Gewicht.

Augen sind bereit zu kapitulieren.
Gedanken gepreßt durch ein Sieb,
lassen dem Lärm im Schädel seinen Frieden,
gönnen dem Moment den Sieg.

In der Stunde der verzweifelten Clowns,
wenn die Maske für einen Augenblick fällt,
das Herz sich vom Verstand trennt
und die Melancholie den Atem anhällt.
Schlägt die Stunde des verzweifelten Clowns.

Solarium braungebrannte Haut hat eine Stunde frei.
Improvisierte Flüchtigkeit.
An Fliesen und Porzellan bricht sich ein Schrei.
Aufgefrischte Einsamkeit.

Die Flüssigkeit schenkt dem Glas das Spiegelbild.
Verdrehte Unterhaltung.
Aus dem Blick wird ein Wort, aus dem Wort ein Schild,
aus dem Schild eine Festung.
„Lass mich gehen!“

Der Rhythmus findet wieder zur Melodie.
Die Zeit fließt träge in ihrem Bett.
Die wahren Geliebten bleiben die Monotonie
und die Einsamkeit und das Fallsett.

In der Stunde der verzweifelten Clowns,
wenn die Maske für einen Augenblick fällt,
das Herz sich vom Verstand trennt
und die Melancholie den Atem anhält.
Schlägt die Stunde des verzweifelten Clowns.

Drei mögliche Varianten eines Abschieds

1.Variante
…ich ließ ihren Körper auf dem Horizont tanzen.
Meine Finger berüherten den Schnittpunkt.
Sie sprang von Nagelbett zu Nagelbett.
Das Echo ihres Lachens fiel in meinen Mund.
Ich ließ den Klang auf meiner Zunge zergehen,
schmeckte den Ton und fühlte und wußte,
dass die Farbe ihres Lippenstifts unausweichlich,
den letzten Kuß auf meine Lippen zeichnen mußte…

2.Variante
…die Falten auf dem Bett waren seltsam geordnet.
Ein Haar von ihr krümmte sich auf der dritten Welle.
Ich behielt es als Reliquie einer vergangenen Nacht.
Ein Hauch von ihrem Parfüm flog noch durch die Luft,
sonst blieb nichts als das Zucken meiner Augenlider
beim Zuschlagen der Tür und das auspendeln des Bildes.
Und als auch der Nachbar aufhörte seine Frau anzubrüllen,
empfand ich wieder diese Traurigkeit eines Kindes…

3.Variante
…als hätte jemand Licht ausgeschüttet,
rann es an den Fassaden der Häuser herab,
tropfte aus den Straßenlaternen und Ampeln
und quoll aus allen Fenstern der Stadt.
Ihr Kopf lehnte nicht mehr an meiner Schulter.
Wir sahen hinunter auf das unbekannte Meer aus Licht,
aus dem der Vogel aufstieg und uns fort trug.
Wir sahen uns in die Augen und kannten uns nicht.
Wir wußten, dass wir Fremde sein werden,
wenn der Vogel sich wieder hinunter
auf das uns bekannte Meer aus Licht schwingen würde.

Alain, die Lüge und ich ( Fortsetzung 2 )
Aus: Selbstgespräche mit einer entfernten Verwandten

Ich hatte gewartet bis er schlief. Sein Atem ging langsam und ruhig. Nein, ich hab ich ihn nicht ausgeknipst .
Er zuckte als das Licht vom Flur in das Zimmer schien. Er war mir gleichgültig, wie alles andere auch.
Sein Name? Weiß ich nicht. Nein, es war nicht mein Mann. Ja, es war ein Hotelzimmer, das wie mein Schlafzimmer aussah, aber der Mann im Bett war nicht mein Mann.

Und dann, als ich auf der Straße stand, fühlte ich, es war vorbei. Oder sagen wir, ich hoffte es. Doch Aussteigen war nicht drin. Sie würden mich nie verstehen. Sie würden es nicht zulassen.
Das Telefon klingelte und ich hob einmal zu viel ab und gab die falsche Antwort. Sie wollten, dass ich fliege und sie hätten mich das Fliegen gelehrt. Daran gibt es keinen Zweifel. Darin sind sie Meister.
Ich traf ihn am Spätnachmittag. Alain saß in einem Cafe in der Rue …, hab den Namen vergessen, er trank einen Pernot.
Wie? Ja, es klingt nach Klischee. Aber es war so. Er trank Pernot und ich setzte mich an seinen Tisch. Sein Blick, Sie kennen doch diesen Blick? Jedenfalls sagte er mit seinen Augen mehr als Worte hätten ausdrücken können.
Hören Sie, ich sage Ihnen, seit damals in dem Auto hatte ich ihn nicht gesehen. Ich träume auch mal von anderen Dingen, wissen Sie. Gut, ab und zu bin ich in Französischen Filmen, was beweißt das, gar nichts! Verstehen Sie!? Und er hat mich immer gut behandelt. Er hat es nicht nötig, Frauen schlecht zu behandeln. Welcher Film? Naja, vielleicht dieses eine Mal, kann jedem passieren. Aber er wurde provoziert, vergessen Sie das nicht!
Er trank also Pernot und als er fertig war, gingen wir gemeinsam in sein Hotel. Er schloß die Gardinen, zündete sich eine Zigarette an und beobachtete durch einen Spalt die Straße. Ja, ein Klischee. Und wenn Sie das blütenweiße Hemd mit dem Blutfleck gesehen hätten, das auf einem Bügel am Schrank hing, würden sie das auch als ein Klischee bezeichnen!
Meine Rolle in dem Spiel war mir nicht ganz klar. Ich glaube nicht, dass ich ein Lockvogel war. Alain holte mich ans Fenster. Auf der Straße, in einem Hauseingang, stand Gino – Ja, Ventura, und beobachtete das Hotel.
Wie der Mann in das Bett gekommen ist? Keine Ahnung, er lag einfach drin als wir uns vom Fenster abwendeten. Er hatte die Bettdecke bis ans Kinn gezogen und sah uns an. Ich würde ihn so um die vierzig beschreiben. Schütteres, braunes Haar und blaue Augen. Aber Sie kennen ihn ja.
Das sagen Sie. Woher soll ich wissen, dass er Oberfinanzdirektor ausgerechnet bei meinem Finanzamt ist. Gut, Oberfinanzdirektor war und sich meinen Traum ausgesucht hat, um das Zeitliche zu segnen?

Alain verließ etwa eine Stunde vor mir das Hotel. Ich sah mir im Fernseher noch die Sendung mit der Maus an. Dann ging ich auch, wie ich Ihnen bereits sagte. Der Mann, ja der Oberfinanzdirektor, schlief bei der Episode mit Käpt´n Blaubär ein. Ich sagte, er schlief, er war nicht tot.
Hören Sie Herr Kommissar, wenn Sie keine weiteren Fragen haben, würde ich jetzt gerne aufwachen. –

Verlassen Sie nicht die Stadt? Also wenn das kein Klischee ist!